Spezialisierung Demenz / Alzheimer
Konzept „Vergißmeinnicht“
Unser Konzept „Vergißmeinnicht - Leben in meiner Welt“ ist auf Menschen zugeschnitten, die in ihrer Fähigkeit zur Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation eingeschränkt sind. Hierzu gehören zum Beispiel: Menschen mit vaskulärer Demenz[1], Lewy-Körper-Demenz[2], Morbus Alzheimer[3], Desorientierte, Somnolente[4], Schädel-Hirn-Traumatisierte, Menschen mit hypoxischem Hirnschaden[5], apallischem[6] oder komatösem Syndrom sowie stark in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Menschen und Sterbende[7].
Im Folgenden stellen wir Ihnen das Konzept in Auszügen vor, damit Sie sich einen ersten Eindruck verschaffen können (bei Interesse können Sie gern das Gesamtkonzept in unserer Einrichtung einsehen):
Jeder Mensch empfindet die Welt auf seine eigene Weise, denn Sinneseindrücke wie Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen erzeugen bei jedem Menschen andere Eindrücke. Für demente, apallische oder komatöse Menschen bestehen unterschiedlichste Bedürfnisse nach Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung. Durch den gezielten Einsatz von Sinnesreizen kann diesen Bedürfnissen entsprochen werden.
Im Zuge der Umsetzung des Konzeptes „Vergißmeinnicht - Leben in meiner Welt“ wurden Wohngruppen und ein Sinnesgarten für Menschen mit eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeit und gesteigertem Bewegungsdrang geschaffen. Gerade das Klientel demenziell erkrankter Bewohner benötigt dringend fachgerechte spezifische Pflege und Betreuung in homogenen Gruppen. In diesen Gruppen unter „Gleichgesinnten“ kann der demente Mensch ohne Druck leben. In Zusammenarbeit mit Experten haben wir ein spezielles Pflege- und Betreuungskonzept entwickelt. Damit ist die Möglichkeit gegeben, die vorhandenen Ressourcen zu erhalten und im Idealfall zu verbessern. Somit wird für jeden Einzelnen eine Steigerung der Lebensqualität erreicht.
In der gerontopsychiatrischen Pflege erfahrenen Praktikern sind die auffälligen und häufig in der Betreuung sehr schwierigen Verhaltensweisen demenziell erkrankter Menschen bekannt. Die folgenden Verhaltensweisen demenziell erkrankter Menschen werden in Fachkreisen besonders oft genannt:
- Motorische Unruhezustände / Umherwandern / Weglauftendenzen
- Aggressive Verhaltensweisen
- Schmieren mit Exkrementen
- Andauerndes lautes Schreien
- Räumliche, persönliche und zeitliche Orientierungsstörungen
- Depressionen, Essstörungen, verschobener Schlaf-/Wachrhythmus
- Weitere Verhaltensweisen bzw. Störungen wie Angstzustände, Halluzinationen, regressive Verhaltensweisen, Aphasien (Sprachstörungen), Wahnentwicklungen, Suizidgefährdungen etc.
Diese besonders belastenden und wiederkehrenden Verhaltensweisen demenziell erkrankter Menschen erfordern spezifische Maßnahmen. Hierzu gehören unter anderem verhaltensorientierte Interventionsarbeiten.
Ob Neu- oder Altbau spielt unserer Meinung eine untergeordnete Rolle. Altbauten können gegenüber Neubauten den Vorteil eines höheren Erinnerungs- oder Vertrautheitswertes für Menschen mit Sinneseinschränkungen haben. Eine zentrale Rolle spielt darüber hinaus das Wohngruppenkonzept. Wir präferieren ein segregatives Kleingruppenkonzept in Form von Wohngruppen. Neben den Bewohnerzimmern und Sanitäranlagen steht ausreichend Raum für Gruppenaktivitäten zur Verfügung. Im Wohngruppenraum gibt es zudem eine Küche, die die direkte Essenzubereitung mit den Bewohnern ermöglicht.
Darüber hinaus wird das Milieu gezielt an die kulturhistorischen Biografien der heutigen Generation von Heimbewohnern angepasst. Ein zentraler Begriff bei der Arbeit mit Menschen mit Sinneseinschränkungen ist die Vertrautheit. Ein Seniorenheim vermag die Heimat bzw. das jahrelang gewohnte zu Hause nicht komplett zu ersetzen. Deshalb legen wir viel Wert auf individuelle Zimmergestaltung, indem zum Beispiel Möbel und insbesondere Bilder von zu Hause mitgebracht werden.
Die bei uns lebenden Menschen werden in ihrer Ganzheitlichkeit und ihrem speziellen Bedarf an individuellen Sinneserfahrungen erkannt und entsprechend gefördert. Hieraus resultierend haben wir eine auf die 5 Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen) abgestimmte stimulierende Milieugestaltung geschaffen, wie zum Beispiel:
- „Duftecke“
- Tast- und Fühlwand
- Klangwand
- Bilder über Formen und Farben
- Pflanzen
- Lichtspiele
- Stationen für Fingerfood
- Sitzecken, die zum Beobachten und Verweilen einladen
- Nostalgiezimmer
- Sinnesbad
- Snoezelen
- Sinnesgarten
und einen Tagesablauf, der eine zeitliche und räumliche Orientierung ermöglicht.
Es ist allgemein bekannt, dass demenziell erkrankte Menschen oft gute Erinnerungen an ihre Jugend haben, da das Langzeitgedächtnis noch recht gut funktioniert, während das Kurzzeitgedächtnis erhebliche Lücken aufweist. Deshalb macht es Sinn, Erinnerungen wach zu rufen, denn dies gibt den Menschen Sicherheit und Geborgenheit. Hilfreich ist es, aufbauend auf der Biografiearbeit in Abstimmung mit Angehörigen und sonstigen Bezugspersonen aus der Vergangenheit, das Bewohnerzimmer mit persönlichen Gegenständen, an denen Erinnerungen hängen, auszustatten. Das im Haus Gisela eingerichtete Nostalgiezimmer ist ein weiterer heimeliger und nicht fremder Rückzugsort, der sich auch für Therapie- und Biografiearbeit anbietet. Ein dementer und sinneseingeschränkter Mensch ist leichter zu verstehen, wenn man herausgefunden hat, wo er abzuholen ist! Deshalb hat die Biographiearbeit sehr hohe Bedeutung.
Reizüberflutung, Unruhe und Aggressivität sind Symptome, die häufig mit einer demenziellen Erkrankung einhergehen. Wichtig sind beispielsweise auch viel Licht und lange Laufwege, die dem Bewegungsdrang dieser Bewohner entgegenkommen. Unsere großen Aufenthaltsräume sind lichtdurchflutet. Da die großen Fensterflächen überwiegend nach Norden ausgerichtet sind und auch im Sommer nicht beschattet werden müssen, sind die Räume das ganze Jahr hell und freundlich und bieten einen herrlichen Ausblick in die Natur.
Zur speziellen Erweiterung der Betreuungsangebote im Haus wurde ein Garten der Sinne geschaffen. In unserem ebenerdigen beschützten Therapie- und Sinnesgarten können sich die Bewohner auch unbegleitet in der Natur bewegen und ihren Bewegungsdrang ausleben. Die Hühner, das Hochbeet oder auch die unterschiedlichen Gartenanlagen sowie der Pavillon haben „Aufforderungscharakter“ für zielgerichtete Spaziergänge.
Dieser Garten lebt von der ständigen Veränderung, allein schon durch die Jahreszeiten bedingt, und wächst mit den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Bewohner. Egal zu welcher Jahreszeit: Der Besuch des Sinnesgartens ist jederzeit lohnenswert. Er ist für alle Hausbewohner über den Aufzug direkt zu erreichen.
Das Wegesystem im Sinnesgarten wurde in sich geschlossen angelegt, so dass die Bewohner ihren Bewegungsdrang auf einem so genannten Endlosweg voll ausleben können. Noch dazu hat das den Vorteil, dass sie sich nicht verlaufen können, denn sie kommen immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Da das räumliche Wahrnehmungsvermögen bei demenziell erkrankten Menschen häufig eingeschränkt ist, könnten Farb- und Materialwechsel des Wegebelages die Bewohner verunsichern und beunruhigen. Deshalb sind die Wegeflächen in Material und Farbe einheitlich. Die Einfassung wurde so gewählt, dass sie sich klar von der Umgebung abhebt.
Akustisch wirkende Alarmsysteme, die bei Öffnung der ins Freie führenden Fluchttüren sofort reagieren, schützen weglaufgefährdete Bewohner. Auf Wunsch der Betreuer ist es mit Hilfe des im Haus Gisela installierten „Desorientierten Schutzsystems“ möglich, dass die Pflegekräfte direkt informiert werden, wenn ein zu schützender Bewohner das Haus über die Haupteingangstür verlässt.Das Konzept für die Pflege und Betreuung ist wesentlich geprägt durch die Haltung der Mitarbeiter gegenüber den Bewohnern. Bei der Auswahl unserer Mitarbeiter legen wir großen Wert auf deren „Begabung für unser Klientel“. Das heißt, neben Fachlichkeit wird außerdem gefordert:
- eine hohe Toleranzgrenze und psychische Belastbarkeit,
- eine respektvolle Haltung gegenüber „andersartigen“ Menschen,
- Feingefühl für das Umfeld jedes Einzelnen und seiner Familiensituation,
- Fantasie, Kreativität und Mut zu unkonventionellem Handeln im individuellen Umgang mit Bewohnern, die sich in einer anderen Erlebniswelt befinden, um eine größtmögliche aktivierende Pflege und Betreuung zu gewährleisten,
- der persönliche Einsatz, sich laufend weiter zu bilden und dies in ihrer Arbeit umzusetzen.
Insbesondere das Interesse und die Begeisterung der Mitarbeiter für dieses Konzept sind entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung. Alle Mitarbeiter haben sich zu ständiger Fort- und Weiterbildung verpflichtet.
Angehörige, Freunde und Bekannte unserer Bewohner sind uns jederzeit willkommen! Sie sind eine wichtige Brücke zwischen dem bisherigen und dem jetzigen Leben unserer Bewohner. Diese Brücke gilt es zu erhalten.
Zu den wesentlichen Elementen des Konzeptes „Vergißmeinnicht - Leben in meiner Welt“ gehören:
- Festes Mitarbeiterteam mit entsprechender Fachlichkeit und Haltung
- Angemessene bauliche Gestaltung
- Realisierung einer sachgemäßen Milieugestaltung
- Homogenität der Bewohnergruppe
- Gestaltung eines bewohnerorientierten Tagesablaufs auf der Grundlage der Biografiearbeit
- Beratung des Pflegeteams durch einen Facharzt
- Dem spezifischen Ernährungsbedarf ist Rechnung zu tragen
- Konzept für die Angehörigenarbeit
- Standard für die Aufnahme eines neuen Bewohners
- Regelmäßige Fallbesprechungen mit dem betreuenden Facharzt
- Fortbildungen der Mitarbeiter
Um die fachlich kompetente Umsetzung dieses Konzeptes zu gewährleisten, wurde eine Konzeptgruppe gegründet. Diese Gruppe besteht aus Mitgliedern der Pflege und des Gruppenübergreifenden Dienstes und trifft sich in regelmäßigen Abständen. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, das Konzept an die sich stetig verändernden Anforderungen in einem lebendigen Haus anzupassen. Auf diese Weise wollen wir einen optimalen Mitarbeitereinsatz für die Bewohner gewährleisten, zur Steigerung der Lebensqualität jedes Einzelnen!
An dieser Stelle möchten wir den zahlreichen Ansprechpartnern sowie auch unseren Mitarbeitern für spannende und zielführende Diskussionen und Gesprächsrunden danken, die letztendlich zu dem hier in Auszügen vorgestellten Konzept geführt haben. Das Gesamtkonzept „Vergißmeinnicht - Leben in meiner Welt“ ist im Haus Gisela einsehbar.
[1] Auch Multi-Infarkt-Demenz genannt, ist eine Art von Demenz, die von Durchblutungsstörungen im Gehirn ausgelöst wird.
[2] Die Demenz mit Lewy-Körperchen ist die zweithäufigste Ursache einer demenziellen Erkrankung. Für diese Erkrankung wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere unterschiedliche Bezeichnungen, wie AD mit Parkinson-Krankheit, Lewy body-Variante der AD, diffuse Lewy-Körperchen Erkrankung, senile Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ verwendet.
[3] Die Alzheimer-Krankheit (Morbus Alzheimer) ist die häufigste Form der Demenz. Es kommt dabei zu einer langsamen Zerstörung von Nervenzellen und damit der Langzeitspeicher des Gehirns.
[4] Somnolenz bezeichnet in der Medizin eine Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit (Schlafkrankheit).
[5] Eine Hirnschädigung infolge schwersten Sauerstoffmangels im Gehirn.
[6] Krankheitsbild in der Neurologie, das durch schwerste Schädigung des Großhirns hervorgerufen wird.
[7] Es besteht eine intensive Zusammenarbeit mit dem Hospizkreis Lippstadt.
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